Da wollt ich zu mein Schätzel - Sudetendeutscher Volkstanz


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Mutterschaft


Splitter aus der Geschichte
Es war zwei Monate später, als ich morgens aufstand und mir so schlecht war, dass ich keine Kuh melken konnte. Elfie sagte, dass sie sie für mich melkt. Als ich gegessen hatte, habe ich alles wieder heraus gebrochen. Dies ging einige Zeit lang so, dann bekam ich wieder Appetit und Hunger, und ich dachte, nun muss ich ja für Zwei essen. Als die ersten Frühäpfel reif waren, habe ich mir immer eine Tasche mit auf das Feld genommen. Mit fünf Monaten machte sich mein Kind bemerkbar, und ich war auf einmal so froh. Im September bekam ich die Krätze, meine Beine waren voller eitriger Beulen. Es wurde die „Fette Krätze“ genannt. Bei der mageren Krätze gab es keine Beulen, es juckte nur am ganzen Körper.
Es gab dafür nur eine Salbe, die Teersalbe, und die half auch nichts, so dass ich mich damit abfinden musste. Der Arzt sagte, das ganze Dorf wäre schon verseucht. Der Bauer und seine Frau bekamen sie auch, wenn auch nur die Magere, aber der Arzt hatte auch keine andere Salbe. Die Zeit war halt noch schlecht.

Es wurde schon früh dunkel, und wir mussten abends ein bisschen Stricken oder Flicken.
Es war Andreas-Abend, und mein Freund brachte mir drei Kirschzweige und stellte sie in einen Krug auf dem Küchenschrank. Er sagte, dass wir uns etwas wünschen wollen, und wir wünschten uns beide einen Jungen.
Am zweiten Februar, an Lichtmess, bin ich heim zu meinen Eltern gezogen. Die Beine waren noch nicht heil, und nun hatte ich Kummer, weil mein Kind Ausschlag haben könnte. Bis März aber waren meine Beine auf einmal heil.

Am sechsten März, früh um 3:30 Uhr, kam mein Kind im Krankenhaus zur Welt. Es war ein Junge, er wog 9 Pfund. Ein junger Arzt namens Ekhams hatte Nachtwache, und er sagte, dies sei das erste Kind, das er zur Welt gebracht hatte. Als mein Freund zu Besuch kam sagte ich, unser Wunsch hätte sich erfüllt und wir hätten einen Jungen erhalten. Er hatte keinen Ausschlag, und wir waren sehr froh.

Als es Frühling wurde, ging ich alle Tage mit meinem Jungen in den Wald spazieren. 1922 war kein gutes Jahr, in die Fichtenwälder war die weiße Nonne eingeflogen. In ein paar Wochen war alles kahl gefressen, aber unser Wald war ein bisschen verschont geblieben. Die Raupen hatten die Heidelbeersträucher kahl gefressen, und es hingen nur noch die Beeren dran. Und die wollte keiner essen. Auch von den Johannisbeeren hatten die Raupen die Blätter gefressen, sie kamen sogar bis in die Stube gekrabbelt, wir wohnten ja auch so nah am Wald.

In diesem Jahr war auch die Währungsreform. Vater war noch in Dresden und hatte gut verdient, aber das Geld reichte nicht. Der Förster ging jeden Tag an unserem Feld und dem Wald vorbei, und einmal fragte er Mutter, ob ihr Mann noch in Dresden sei. Er hätte gehört, dass einige Männer in Sachsen schon Schluss gemacht hätten.
„Am Montag fangen zwei Männer als Holzfäller an“, sagte er, „Sollte Ihr Mann auch Schluss machen, soll er zu uns kommen. Wir brauchen viele Männer bis zum Herbst, dann soll die Fläche leer sein.“
Als dann der Winter kam, hatte Vater wieder geschustert. An Arbeit hat es nicht gefehlt, nur an Geld. er hatte ein paar Fichten gefällt und verkauft.
Ich und mein Freund wollten heiraten, als meine zukünftige Schwiegermutter starb. Ich bin dann mit ihm zusammengezogen in das Dorf, in dem ich in Dienst war.
Marie und Josef
Hochzeitsfoto von Marie Bartel und Joseph Beh
 
 
Am 1. Juni bekam ich das 2. Kind, ein Mädchen, und am 3. November 1923 haben wir geheiratet. Gefeiert haben wir bei meinen Eltern und der Verwandtschaft, es war sehr schön. Mein Mann war in einer Druckerei beschäftigt und hatte dort bis 1946, bis zur Aussiedlung, gearbeitet.

Vater hatte im Sommer von Hernskretschen bis Edmunds Klamm mit einem Boot Fremde gefahren. Es war noch sehr schlecht mit der Arbeit, wir hatten dann auch eine Wohnung in einem Haus, in dem ein alter Mann wohnte. Auch mein Schwiegervater lebte bei uns. Nach ein paar Jahren war der Mann gestorben, und sein Sohn hatte das Haus an uns verkauft. Mein Mann hatte mit einigen Nachbarn die eine Hälfte des Hauses abgerissen und neu gebaut. Mit 28 Jahren hatte ich sechs Kinder, einen Jungen, vier Mädchen und ein Junge, der tot zur Welt kam. So verging die Zeit, und ich war froh, dass mein Mann Arbeit hatte. Viele Frauen klagten über ihre Männer.

Als die Kinder größer wurden, bin ich im Sommer wieder zu dem Bauern zur Arbeit gegangen. Nur in der Beerenzeit bin ich mit den zwei Großen in die Heidelbeeren gegangen, die Kleinen blieben bei meinem Schwiegervater zu Hause. Wenn wir Mittags heim kamen, hatte er auch etwas gekocht. Mein Mann nahm die Beeren stets mit in den Betrieb.
Zum Bauern bin ich mit noch einer Frau arbeiten gegangen. Sie sagte immer: „Marie, komm nur erst einmal herein, ich habe etwas für dich.“
Es standen zwei Milchtöpfe auf der Ofenbank mit dicker Milchhaut, die ich immer ausgelöffelt habe. Die andere Frau mochte so etwas nämlich nicht.

Wenn wir Mittags oder Abends nach Hause gingen, bekamen wir immer ein Stück Brot mit Butter oder Fett, und wir hatten keine Not. Im Winter gingen wir Federschleißen und Säcke flicken. Die Kinder gingen bald zur Schule. Als unser Sohn und seine Freunde aus der Schule kamen, war die Lehrstellenlage schlecht. Unser Sohn hatte als erstes eine Stelle als Steindrucker in der Druckerei, in der auch mein Mann arbeitete. Immer wieder wurde ich gefragt, ob Friedel eine Stelle hatte, und mir taten die anderen leid, die keine Stelle hatten.
Es wurde aber von Zeit zu Zeit besser und alle hatten Arbeit, aber diese Zeit war nur kurz, und unser Sohn hatte noch nicht einmal ausgelernt, da musste er fort an eine andere Arbeit. Viele Männer waren nach Sachsen gegangen, denn dort gab es Arbeit genug. 1936 kam ein Schmied aus Sachsen und brachte Stahl und Harken, die die Leute bestellt hatten.
Ich stand mit zwei anderen Frauen zusammen, und der Schmied hatte wieder Harken gebracht. „Ihr Frauen“, sagte er, „Wir werden Krieg bekommen!“
„Wir wollen aber keinen Krieg“, sagten wir, „Wir wollen nie wieder Krieg!“
„Nein, wir wollen keinen“, sagte der Schmied, „Aber er wird kommen. Bei uns gibt es kein Schweinefleisch, alles kommt in Dosen, für den Krieg.“
Von dem Tag an hatten wir Angst. Im September 1938 marschierten die Deutschen in unser Sudetenland ein. Viele waren begeistert und sie riefen laut „Heil Hitler!“
Ein Frau, die vom Feld kam, sagte: „Milli, was hat das denn für eine Funktion, die Häuser sind mit Kränzen und mit dem Bild von einem Mann behangen?“
„Ach, Stefani, das ist der, der uns hilft“, sagte ich.
„Milli, ich kümmere mich nicht um solches Zeug“, sagte sie. „Ich bin froh, wenn ich für die Kuh und die Ziegen satt zu fressen und Mittag etwas zu kochen habe. Die gebratenen Tauben werden uns nicht in den Mund fallen“.
„Stefani, mit dir ist nicht zu reden.“

Der Kerl mit seinem Gefolge hatte über die Menschheit nur Unglück gebracht. Bald wurden die ersten Männer eingezogen. Mein Sohn musste im Mai 1941 einrücken und kam zur Marine. Seine Freunde waren auch schon fort, und meine zwei Brüder mussten auch weg.

Arnsdorf 

Adele (Deli), Ehrenfried (Friedl) und Emma (Emmi) 1942 in Arnsdorf
05.11.1923 Hitler-Putsch in
München gescheitert
 

 
15.11.1923 Ausgabe der
Rentenmark zur Beendigung der Inflation
(1 $ = 4,2 Billionen Mark)
 
 
  
 
 
 
23.06.1924 Massenmörder
Fritz Haarmann in
Hannover gefaßt
 

 
 
   
 
 
29.10.1929 "Schwarzer
Freitag" an der
 New Yorker Börse
 

 
 
30.01.1933 Adolf Hitler
wird zum Reichskanzler
ernannt
 

 
 
18.07.1936 Ausbruch des
Spanischen Bürgerkriegs
 
 
 
1936 Olympische Spiele
in Berlin

 
 
12.03.1938 Hitlers
Wehrmacht marschiert in
Österreich ein
 
10.10.1938 Hitlers
Wehrmacht marschiert
im Sudetenland ein
 
09.11.1938 "Reichs-
kristallnacht"

01.09.1939 Beginn
des 2. Weltkrieges

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